Split: Der Tamilische Regisseur „M. Night Shyamalan“

Von „The Sixth Sense“ bis „Split“

Mit mysteriösen Filmstoffen kennt sich M. Night Shyamalan aus. „The Sixth Sense“ bescherte ihm einst einen Welterfolg, nun erobert sein Psychothriller „Split“ die Kinocharts. Mit n-tv.de spricht er über seine Ideen, Persönlichkeitsstörungen und Donald Trump.

Der Filmverleih bezeichnet „Split“ als den gruseligsten Film, den Sie je gemacht hätten. Stimmen Sie dem zu?

M. Night Shyamalan: Ja, das sagen manche Leute, auch manche, die den Film gesehen haben. Ich habe mir darüber erst einmal gar keine Gedanken gemacht – ich habe nicht an einen gruseligen Film gedacht, sondern an einen Thriller. Aber ich denke, der Film ist schonungslos. Es dauert ja gerade mal bis zur dritten Minute, bis die Mädchen entführt werden. Ich wollte, dass sich der Film wie ein einziger langer dritter Akt anfühlt. Der Druck sollte einfach vom Anfang bis zum Ende immer weiter anschwellen. Das unterscheidet den Film tatsächlich von meinen bisherigen, in denen sich der Druck nicht derart schnell aufgebaut und durchgezogen hat.

Wie bei allen Ihren Filmen haben Sie auch zu „Split“ das Drehbuch selbst verfasst. Woher bekommen Sie Ihre Ideen – im Schlaf, unter der Dusche, am Frühstückstisch …?

(lacht) So ziemlich überall, wenn ich in der richtigen Stimmung bin. Gerade vor unserem Interview hatte ich zum Beispiel ein paar kleine Ideen für den nächsten Film. Die schreibe ich auf – ich habe ein Notizbuch voll mit Ideen.

In „Split“ leidet der Hauptcharakter Kevin unter einer Persönlichkeitsspaltung – er vereint mehr als 20 Persönlichkeiten in sich. Das Krankheitsbild der „Dissoziativen Identitätsstörung“ gibt es ja tatsächlich. Wie nah an der Wirklichkeit ist Ihre Darstellung und wie viel ist Fiktion und Übertreibung?

Es gibt unterschiedliche Schweregrade dieser Störung. Tatsächlich heißt es, beinahe zwei Prozent aller Menschen hätten eine Störung dieser Art. Das kommt mir schon sehr viel vor, aber das ist die medizinische Annahme. Selbst bei diesen zwei Prozent wäre allerdings die Störung, die Kevin hat, natürlich die absolut extremste Form. Das ist äußerst selten, aber das gibt es schon – bis dahin ist nichts erfunden.

Was heißt: bis dahin?

Vieles von dem, was ich in dem Film darstelle, ist erforscht und dokumentiert. Es gibt Fälle, bei denen eine ihrer Persönlichkeiten blind ist und die andere sehen kann, bei denen eine ihrer Persönlichkeiten Diabetes hat und die andere nicht, bei denen eine ihrer Persönlichkeiten allergisch gegen Meeresfrüchte ist und die andere nicht. Das sind alles Dinge, die sich Menschen mit dieser Störung einreden können. Aber was wäre, wenn jemand derart überzeugt wäre, dass eine seiner Persönlichkeiten übernatürliche Kräfte hat? Dazu gibt es keine Forschungsergebnisse. Und das ist die Frage, die ich aufwerfe.

Einige Gesundheitsorganisationen haben Sie für die Darstellung der Krankheit in dem Film kritisiert. Was antworten Sie ihnen?

Sie haben den Film ja noch gar nicht gesehen – von daher können sie daran auch noch keine Kritik üben (das Interview wurde kurz vor dem Kinostart geführt, Anm. d. Red.). Es geht also vielmehr um ihre Annahme, wie der Film sein wird. Wir haben „Split“ bisher vielleicht 20.000 Menschen gezeigt – und von ihnen hat wirklich kaum jemand daran Anstoß genommen. Die Menschen wissen doch, dass es sich um Fiktion und Fantasy handelt.

Die Kritik perlt also an Ihnen ab …

Ich glaube, die Frage, die sich stellt, ist doch: Versteht man die Störung nach dem Film besser? Hat man ein Verständnis und Sympathie für Kevin entwickelt? Und die Antwort lautet definitiv ja. Casey (eines von drei Mädchen, die Kevin in dem Film entführt, Anm. d. Red.) nimmt einen durch den Film mit. Erst hat man zusammen mit ihr Angst vor ihm, dann versucht man ihn zu verstehen und schließlich sympathisiert man auch mit ihm. Das macht gute Fiktion aus: Die Lüge erzählt die Wahrheit.

Ein großes Idol von Ihnen ist Alfred Hitchcock. Wie sehr hat Sie sein Film „Psycho“ inspiriert?

Ich weiß, dass das verrückt klingt: Aber ich habe an „Psycho“ wirklich gar nicht gedacht. Vielleicht hat es irgendwo tief in mir geschlummert, aber bewusst kam mir der Film nicht in den Sinn. Ich sehe eher Verbindungen zu „Das Schweigen der Lämmer“. Für mich bildeten die Therapiesitzungen von Hannibal Lecter und Clarice Starling das Rückgrat des Films. Das ist für mich in „Split“ genauso. Das Rückgrat sind die Therapie-Gespräche zwischen Dr. Fletcher und Dennis (eine der Persönlichkeiten von Kevin, Anm. d. Red.).

Ich denke, wir sind uns einig, dass „Split“ nicht zuletzt von der Leistung von James McAvoy als Kevin lebt. „Variety“ hat sogar geschrieben, es sei die „Rolle seines Lebens“ …

Als ich das Drehbuch geschrieben habe, dachte ich mir: Wer auch immer das spielen wird – es wird ihn definieren. Als James die Rolle gespielt hat, war ich echt aus dem Häuschen: „James, meine Güte, es ist unglaublich, wie du das spielst, das ist echt Weltklasse. Ich weiß nicht, wie viele Menschen auf der Welt das so hinbekämen.“ Ich hoffe, dass auch das Publikum so beeindruckt von ihm sein wird.

So gesehen können Sie ja ganz froh sein, dass nicht Joaquin Phoenix oder Leonardo DiCaprio Kevin gespielt haben. Beide waren anfangs auch für die Rolle im Gespräch …   

Ja, so ist das immer wieder. Ein Schauspieler fällt aus Zeitgründen aus und ein anderer springt in die Lücke. Auch James war ursprünglich nicht verfügbar. Lustigerweise könnte ich es mir jetzt nicht mehr anders vorstellen. Für mich käme niemand anderes mehr für die Rolle in Frage.

Sie halten stets Distanz zu Hollywood und drehen Ihre Filme bei Ihnen zu Hause in Philadelphia. Was ist dort besser als in Hollywood?

(lacht) Nun, ich bin ein Autor. Und ich schreibe über das, was ich kenne. Ich mache jetzt seit über zwanzig Jahren Filme. Und ich glaube, was mich unter anderem erfolgreich macht, ist, dass ich einige Dinge anders angehe als andere. Das kommt daher, dass ich nicht in Restaurants abhänge, in denen auch alle anderen Drehbuchschreiber, Produzenten oder Filmbosse sind. Meine Kinder gehen in keine Schule mit Kindern von anderen Regisseuren. Und in Philadelphia wird nicht andauernd über die Golden Globes, die Nominierungen und die Einspielergebnisse gesprochen. Mich inspirieren ganz gewöhnliche Menschen und Geschichten.

Früher oder später werden Sie in fast jedem Interview auch auf „The Sixth Sense“ angesprochen, Ihren bis dato erfolgreichsten Film von 1999. Nervt Sie das oder überwiegt nach wie vor der Stolz auf diesen Streifen?

Ich empfinde das gar nicht so. Es gibt mehr Menschen, die mit mir zum Beispiel über „Unbreakable – Unzerbrechlich“ sprechen wollen. Andere erzählen mir, dass „Signs – Zeichen“ ihr Lieblingsfilm ist. Es gibt Menschen, die sich zu Textpassagen aus „The Village – Das Dorf“ vermählen. Es gibt also durchaus ein Verständnis für das Gesamtwerk.

Vor zwei Jahren haben Sie mit der TV-Serie „Wayward Pines“ Neuland betreten. War das eine einmalige Erfahrung für Sie oder können Sie sich vorstellen, das zu wiederholen?

Ich kann mir definitiv vorstellen, das zu wiederholen. Das war eine großartige Zeit. Und wir waren mit der Serie sehr erfolgreich. Ich habe für mich dabei eine gute Nische gefunden, in der ich die Autoren betreuen, Strukturen der Serie entwickeln, Regisseure engagieren oder bei den Castings helfen konnte. Ich bin sehr stolz auf die Autoren, die wir für „Wayward Pines“ eingestellt haben, die dann mit „Stranger Things“ weitergemacht haben. Das waren hauptsächlich noch Jugendliche, mit denen ich bei mir zu Hause geschrieben und gesprochen habe. Das macht mich wirklich stolz.

Sie haben eine Stiftung, mit der Sie sich gegen Armut und soziale Ungerechtigkeiten engagieren. Von daher möchte ich Ihnen zum Schluss eine politische Frage stellen: Was ist Ihre Meinung zum neuen US-Präsidenten Donald Trump?

Ich bin immer noch erschüttert. Ich kann immer noch nicht glauben, dass es wahr ist. Aber wir sehen diese Entwicklung gerade überall auf der Welt. Ein durchgängiges Motiv ist dabei die Furcht vor der Globalisierung. Und das mischt sich mit Rassismus. Die Leute fragen sich, ob sie diese Entwicklung aufhalten und „Amerika wieder groß machen“ können. Oder wieder weiß machen können. All das. Die wahre Antwort lautet schlicht: Nein, könnt ihr nicht. Ich verstehe die Sorgen, aber was ich nicht verstehe, ist ihren Boten …

Donald Trump …

Ja. Er erzählt Lügen. Aber in sie sind Wahrheiten verpackt. Er sagt: Ich errichte eine Mauer, und Mexiko wird dafür zahlen. Das wird so nicht passieren. Aber die Wahrheit, die sich dahinter verbirgt, lautet: „Ich hasse es, dass Mexikaner in unser Land kommen.“ Und seine Anhänger rufen: Yeah, das tun wir auch. Auch da geht es wieder um Globalisierung. Aber schauen Sie: Er ist 70 – das ist eine andere Generation. Meine Tochter etwa durfte gerade zum ersten Mal wählen. Und ihre Generation ist extrem liberal, ich würde sagen zu 80 Prozent. Sie nimmt von Hautfarbe oder Homosexualität noch nicht mal Notiz. In 20 Jahren werden all diese jungen Leute wählen. Wir erleben gerade nur eine Momentaufnahme, die vorübergehen wird. Wir müssen nur hoffen, dass er uns bis dahin nicht alle tötet.

Mit M. Night Shyamalan sprach Volker Probst

„Split“ läuft derzeit in den deutschen Kinos

Quelle: n-tv.de

 

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