Sri Lanka: Altes Selbstbewusstsein der Tamilen ist zurück

Von Bernd Schiller

Nach Jahren des Bürgerkriegs sind die Traumstrände von Trincomalee und das Land der Tamilen bei Jaffna wieder unbeschwert zu entdecken.

Jaffna.  Einen ganzen Tag lang hatte es in Jaffna geschüttet, Tropenregen vom Feinsten und Heftigsten. Und das in einer Zeit, in der es laut Statistik eigentlich so gut wie gar keinen Niederschlag ­geben dürfte. Viele Siele waren übergelaufen, die meisten Gassen überschwemmt, sogar die Markthalle im Zentrum.

Und die Einwohner, die Tamilen, die jahrzehntelang bis weit über das offizielle Ende des Bürgerkriegs im Jahre 2009 hinaus gelitten haben, keine Familie, die nicht den Verlust von Vätern, Söhnen, Brüdern zu beklagen hat? Sie schoben ihre Fahr­räder lachend durch die Wassermassen und freuten sich mit ihren Kindern, die im Dreck­wasser tobten.

Auch Sri Lanka vom Klimawandel betroffen

Beides ist typisch. Zum einen hält sich auch in Sri Lanka die Natur, Stichwort Klimawandel, nicht mehr an die alten Regeln: Im Winter, von Dezember bis März, sollten eigentlich an der Westküste und im Südwesten täglich ideale Bedingungen herrschen. Es gab dort über Jahrzehnte hinweg eine Art Garantie für sanfte Brandung, viel Sonne, unterbrochen ­allenfalls durch einen Schauer am Nachmittag.

Umgekehrt galt dies zwischen Mai und September für die Ostküste, die sich Tamilen, Singhalesen und Muslime teilen, und eben auch im Norden, der fast ausschließlich von Tamilen bewohnt wird.

Bevölkerung blickt zuversichtlich in die Zukunft

Zum anderen, und das ist fast noch erstaun­licher: Nördlich des Elefanten-Passes, der schmalen Landbrücke zwischen der Hauptinsel Sri Lanka und der Halbinsel Jaffna, herrscht wieder gelöste Stimmung. Das alte Selbstbewusstsein, das die Tamilen des Nordens, mehrheitlich Hindus, immer ausgezeichnet hatte, ist zurück.

Die Menschen schauen, so wirkt es auf den Besucher, der es in den letzten zwanzig Jahren oft genug anders erlebt hat, erhobenen Hauptes in die Zukunft, zupackend, lebensfroh. Man ist, nach den Schrecken des Tsunami im Jahr 2004 und nach 25 Jahren Terror und Bürgerkrieg, noch einmal davongekommen.

Bisher haben sich nur wenige Touristen in die Region gewagt

Die noch wenigen Touristen, die sich neugierig auf den weiten Weg nach Jaffna gemacht haben, werden zurückhaltend-freundlich in die großen Tempel am Rande der Stadt gebeten. Man macht ihnen lächelnd Platz, damit sie die Zeremonien der Priester und der Pilger mitbekommen können. Immer findet sich jemand, der auf Englisch erklärt, warum Kokosnüsse auf den Boden geworfen werden und wie die Schalen und die Milch auseinanderzuspritzen haben, damit der Segen Shivas, Vishnus oder Ganeshas darauf fällt.

Überhaupt, so sagen ihre Gesten: Tretet näher, Freunde, dies ist ein anderes Sri Lanka, weniger heiter auf den ersten Blick als der Süden mit seinen Palmen-, Gewürz- und Teeplantagen, seinen dichten Regenwäldern, Savannen und üppig bewachsenen Nationalparks. Jaffna, das ist nicht mehr ganz Sri Lanka, aber auch noch nicht wirklich Indien.

Jaffna hofft auf boomenden Tourismus

Die Stadt, gut 100.000 Einwohner, ist zwar noch immer dabei, die Traumata aus der Vergangenheit abzuschütteln. Im wuseligen Zentrum aber vibriert sie geradezu, ihre Märkte und Basare sind voller Waren, voller Menschen. Moderne Kaufhäuser mit Marmor, Rolltreppen und viel Elektronik ziehen vorwiegend junge Leute an. Der Verkehr wächst rasant, man hofft, endlich auch ein Stück vom boomenden Tourismus abzubekommen.

Was gibt es zu sehen ? Ein verfallenes Fort aus ferner Kolonialvergangenheit, eine weißglänzende Bibliothek, die einmal zu den bedeutendsten östlich von Suez zählte und sich heute müht, ihre Bestände wieder aufzufüllen. Ein Muss ist der große Tempel Kandaswamy im Vorort Nallur, der beste Ort, um Alltag und Rituale frommer Hindus zu studieren.

Klassischer Drei-Tage-Abstecher für Individualisten

Ein flaches Hinterland, reich an Seen und Lagunen, bevölkert mit Flamingos, Reihern, Kormoranen. Bitterarme Fischerdörfer bei Point Pedro, Sri Lankas Nordkap. Ein etabliertes Urlaubsziel ist Jaffna also (noch) nicht; eher der klassische Drei-Tage-Abstecher für Individualisten, denen der Palmenstrand allein nicht genügt.

Ganz anders dagegen die Ostküste rund um Trincomalee. Hier, vor allem am Nilaveli Beach, hat es in den 70er- und 80er-Jahren schon einmal einen lebhaften Tourismus gegeben. Auch weiter südlich, in Kalkudah, ­Passekudah und in Batticaloa, lässt sich der Neustart zum ceylonesischen Aufbau Ost eindrucksvoll studieren.

Umweltschonender Aktivurlaub

Wie auch in anderen ­Regionen setzt Sri Lanka am Rande kleiner, lebhafter Städte und Dörfer auf umwelt­schonenden Aktivurlaub, auf gehobenen Tourismus, auf luxuriöse Themenhotels und ­Boutique-Resorts. Die Uga-Anlage Jungle Beach in Kuchchaveli, komfortable Bungalows im Urwald-Safari-Stil, ist dafür ein gelungenes Beispiel. Das lässig-noble „Barfuß-Hotel“ Maalu Maalu bei Kalkudah ein anderes.

Nur weit im Süden, an der Arugam Bay, dem heißesten Hotspot aller Surfer, bleibt zur Freude der Stammgäste fast alles beim Alten: die beliebten Mittelklasse-Häuser Stardust und Spice Trail, im Sommer arg überteuert und doch lange im Voraus ausgebucht. Kult-Status in der alternativen Szene hingegen hat seit Jahrzehnten das Siam View Beach Hotel, vor dem im Sommer eine internationale Wellenreiter-Community ihre legendären Partys feiert.

Buddha hat ein weites Herz

Es ist eine lange, ermüdende Autofahrt von Jaffna an die Ostküste, durch heißes, fast menschenleeres Buschland. Hin und wieder, zum Beispiel wenn ein Verkehrsschild vor kreuzenden Elefanten warnt, nimmt der Fahrer Gas weg. Und prompt trottet ein paar Minuten später eine Dickhäuter-Großfamilie über die Straße.

In einem Dorf zeigen Minarette und kleine, bescheidene Moscheen an, dass hier Muslime wohnen, arme Bauern, Landarbeiter, Lastwagenfahrer. Im Nachbarort, zehn Kilometer weiter, scharen sich die Hütten und Häuschen der singhalesischen Einwohner um ein buddhistisches Kloster. Kahl geschorene Jünglinge, Novizen in orangefarbenen Roben, spielen Fußball oder daddeln an ihren Smartphones herum; Buddha hat ein weites Herz.

Viele Religionen, die sich bemühen, miteinander auszukommen

Und wiederum nur ein paar Kilometer entfernt, nun schon an der Küste, die sich hier über mehr als hundert Kilometer wie der Traumstrand aus dem Katalog zeigt, bewohnen Hindus, Buddhisten, Christen und Muslime gemeinsam ein Dorf.

Man kommt klar miteinander, man bemüht sich jedenfalls. Nur kein Krieg mehr, das ist der kleinste und zugleich der größte Nenner in dieser abgelegenen Region, fast fünf Autostunden von Colombo entfernt. Polonnaruwa allerdings, eine der ehemaligen Königs-Metropolen aus der ceylonesischen Antike, liegt bequem auf dem Wege nach Trinco, wie die „Hauptstadt“ des Ostens gern abgekürzt genannt wird.

Per Mietwagen das alte, authentische Ceylon erleben

Für Urlauber, die zwischen sonnendurchglühten Strandtagen von Zeit zu Zeit das gemäßigte Abenteuer suchen, bietet das Land hinterm Strand reichlich Spannung und Exotik: Kulturstätten, die man sich erklettern muss, Natur-Abenteuer in Nationalparks, nicht annähernd so teuer wie die Touristenfalle Yala-Reservat im Südosten.

Gut möglich auch, dass man, zum Beispiel auf der Piste von Nilaveli zum uralten Bergtempelchen Tiriyai, mit dem Mietwagen in einer Kuh- oder Ziegenherde steckenbleibt – altes, authentisches Ceylon.

Ganz weit im Süden, wo die Ostküste immer einsamer, die Lagunen immer schöner und das Tierleben immer vielfältiger werden, kuscheln sich hinter dem Strand ein paar Strohhütten: Panama heißt das winzige Dorf. Wer es bis hier unten, an die Grenze zum Kumana National Park (Yala East), geschafft hat, will allein sein mit sich, schläfrige Krokodile auf heißen Felsen beobachten und eine Vogelwelt, die den Vergleich zum Paradies nahelegt.

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