Der lukrative Draht nach Hause

Gewohntes Bild in europäischen Großstädten: In Call-Shops und Kiosken werden Handykarten der sogenannten Ethno-Anbieter wie Lycamobile oder Lebara angeboten. Zielgruppe dieser Mobilfunkfirmen sind Migranten. Foto: AFP

Münster: Lycamobile, Ortel und Lebara – Anbieter von Ethno-Tarifen setzen auf die wachsende Zielgruppe von Migranten. Doch bei den Tarifen gibt es Fallstricke.

Von Andreas Fier
Das hatten sich die Marketingexperten bei Yourfone anders vorgestellt. Gemeinsam mit der Caritas und dem Roten Kreuz hatte der Mobilfunkanbieter im Herbst 50 000 kostenlose SIM-Karten mit Freiminuten in Flüchtlingsunterkünften verteilt. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Erboste Vertragskunden beschwerten sich, weil sie nichts geschenkt bekommen. Fachleute monierten hingegen, dass die versprochenen Freiminuten nicht für Gespräche ins Ausland gelten würden – obwohl die Handykarten in Flüchtlingsheimen an Menschen verteilt wurden, die gerade ihre Heimat verlassen hatten.Yourfone hält sich seitdem bedeckt, wenn es um Werbeaktionen für Migranten geht. Dabei hatte die Tochter des Mobilfunkkonzerns Drillisch das getan, was inzwischen etliche Handyanbieter tun – auf der Suche nach neuen Kunden setzen sie auf die wachsende Zahl von Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland.

Der Markt erscheint riesig. Laut Statistischem Bundesamt lebten bereits 2014 – vor der großen Flüchtlingswelle – 16,4 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik. Schätzungen zufolge nutzt ein Drittel dieser Menschen einen Mobilfunkanbieter, der zu den sogenannten Ethno-Marken wie Ay Yildiz, Ortel, Lebara oder Turkcell zählt. Seitdem sind Hunderttausende Migranten als potenzielle Zielgruppe hinzugekommen.

In der ersten Reihe der Anbieter von Ethno-Tarifen steht Lycamobile. Das grün-blaue Logo des Mobilfunkanbieters findet sich europaweit in größeren Städten an nahezu jedem Call-Shop, in dem günstige Telefonate ins Ausland angeboten werden. Einen Anruf von Deutschland auf ein Handy in Afghanistan gibt es bei Lycamobile schon für 19 Cent in der Minute. Mitarbeiter von Verbraucherschutzorganisationen berichten, dass fliegende Händler mit provisorischen Informationsständen regelmäßig vor Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge gesichtet werden. Die Prepaid-Karte für das Handy gibt es oft umsonst. Verdient wird an den Gesprächen.

Die Stiftung Warentest hat deshalb Merkblätter in deutscher, englischer und arabischer Sprache erstellt, um Migranten eine Orientierung im Tarif-Dschungel zu ermöglichen. Denn auch bei den Anbietern der Ethno-Tarife gibt es Fallstricke. Hauptkritikpunkt: Oft werden Minutenpakete angeboten, die innerhalb eines Monats abtelefoniert werden müssen. Danach verfällt das Gesprächsguthaben.

Ein eigenes Netz betreiben die Anbieter der Ethno-Tarife meist nicht. Lediglich der auf Osteuropa spezialisierte Anbieter Ortel sowie der Türkei-Spezialist Ay Yildiz gehören zum Telefonica-Konzern und nutzen dessen Netz. Der britische Anbieter Lycamobile, der auf 14 Millionen Kunden in 19 Ländern verweist, hat sich in Deutschland in das Vodafone-Netz eingemietet. 2014 haben die Briten mit ihrem Nischenangebot einen Umsatz von 1,5 Milliarden €  gemacht.

Ein Sprecher von Telefonica macht keinen Hehl daraus, dass die Ethno-Tarife ein gut laufendes Geschäft sind: Zwar sei das Budget der Kunden oft begrenzt, mobile Kommunikation habe bei vielen Menschen mit Migrationshintergrund aber einen hohen Stellenwert. Daher gäben sie im Schnitt verhältnismäßig viel Geld dafür aus.

source: http://www.wn.de/Welt/Wirtschaft/2377297-Ethno-Tarife-von-Mobilfunkanbietern-Der-lukrative-Draht-nach-Hause

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