Tamil Nadus Ministerin J.Jayalalithaa ist Tot!
Sie war Filmstar, Muse und eine perfekte Populistin – Jayaram Jayalalithaa. Im Alter von 68 Jahren ist die Regierungschefin des indischen Bundesstaats Tamil Nadu gestorben. Weil viele sie wie eine Halbgöttin verehren, befürchten Behörden, aus Trauer könnten Unruhen werden.
Von Jürgen Webermann, ARD-Studio Neu-Delhi
Es ist kurz nach Mitternacht im südindischen Chennai, als die Nachricht durchsickert und ihr Leichnam aus dem Krankenhaus gebracht wird. Männer und Frauen schlagen mit ihren Händen verzweifelt gegen ihre Köpfe. Sie rufen „Amma“, „Amma“. Das ist Tamil und heißt übersetzt Mutter. Einige werfen sich in den Staub. Es herrscht Ausnahmezustand.
Jayaram Jayalalitha, die „Amma“ des Bundesstaates Tamil Nadu, ist schon lange eine Legende. Für viele ist sie eine Halbgöttin. Ein Künstler malte aus seinem eigenen Blut ein Porträt von ihr. Bürokraten warfen sich ihr zu Füßen. Andere liefen über heiße Kohlen, um „Amma“ zu huldigen.
Wahlkämpfe wie Kollywood-Filme
Mitte der 1960er-Jahre begann die damals jugendliche Jayalalitha ihre Karriere als Filmschauspielerin, an der Seite des ebenfalls legendären und 30 Jahre älteren Marudhur Gopalan Ramachandran, den alle nur MGR nennen. Die beiden blieben nicht nur Kollegen vor der Kamera. MGR bereitete der schlauen, charismatischen, frechen Jayalalitha den Weg in die Politik.
In Tamil Nadu inszenierte er Wahlkämpfe wie Kollywood-Filme – Kollywood, so wird die Filmindustrie in Südindien genannt. Drehbuchautoren, Schauspieler – sie alle kämpften hier um politische Macht. MGR regierte elf Jahre lang als Ministerpräsident. Seine und Jayalalithas Partei gilt als Partei der Armen und Benachteiligten.
Bestens verdient an Fernsehern für Arme
MGR starb 1987, vier Jahre später war Jayalalitha erstmals Ministerpräsidentin. „Die ganze Welt ist eine Bühne, und alle schauspielern“, sagte Jayalalitha. „Ich aber bin sehr direkt. Doppelzüngigkeit ist nicht mein Metier. Ich bin deshalb ein wenig ungewöhnlich für eine Politikerin.“
Aber die Macht, der Ruhm, das Drama, all das hatte auch eine zweite Seite. Mehrfach landete sie vor Gericht. Sie hatte einen unbeschreiblichen Reichtum angehäuft. Bei einer Razzia in den 1990er-Jahren fanden die Polizisten mehr als Zehntausend Saris, 750 Paar Schuhe und mehr als 30 Kilogramm Gold. Jayalalitha hatte Fernseher an die Bevölkerung verteilen lassen und am Einkauf der Geräte anscheinend bestens verdient. Sie wurde zu Gefängnisstrafen verurteilt, die später aber aufgehoben wurden.
Einer der Lichtblicke in Indien
Und sie kämpfte sich stets zurück in die Politik, trotz all ihrer Feinde, die sie seit Jahrzehnten aus der Filmindustrie kennt. Nach dem Tsunami 2004, der auch Tamil Nadu traf, lobten viele Betroffene „Amma“ für ihre Nothilfe. Tamil Nadu gilt, trotz des unendlichen politischen Dramas, als einer der Lichtblicke in Indien, besser entwickelt als die meisten anderen Bundesstaaten.
Regierung appelliert an Menschen, ruhig zu bleiben
Und die charismatische Jayalalitha perfektionierte ihren Populismus. Sie ließ Laptops, subventioniertes Essen, Medikamente und sogar Zement verteilen. Ihre Projekte nannte sie „Amma Kantine“, „Amma Apotheke“, „Amma Zement“ oder „Amma Trinkwasser“. 2016 siegte sie ein weiteres Mal bei den Regionalwahlen.
„Ich habe mein Leben den Menschen in Tamil Nadu gewidmet. Ich werde das weiterhin tun. Ich werde für einen besseren Staat kämpfen, damit es die Leute hier besser haben. Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen.“ Selbst ihr Ableben war ein Drama, seit mehr als zwei Monaten war sie im Krankenhaus, und es gab längst Gerüchte über ihren Tod. Jetzt ist die Trauer in Tamil Nadu so groß, dass Indiens Regierung an die Menschen dort appelliert, ruhig zu bleiben.
„Amma“ – „Mutter“ – wurde sie von vielen genannt.
Source: ARD