«Sri Lanka verleugnet seine Vergangenheit» – ein Uno-Bericht erhöht den Druck auf den Inselstaat
Das Urteil des Hochkommissariats für Menschenrechte fällt scharf aus. Fraglich ist, ob es etwas ändern wird.
Gotabaya Rajapaksa, der in der Endphase des Bürgerkrieges den Sicherheitsapparat dirigierte, verfolgt eine singhalesisch-nationalistische Politik.
Die Worte sind scharf, ungewohnt scharf, wie Insider sagen. Diese Woche hat das Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) einen Bericht über Sri Lanka veröffentlicht. Darin heisst es, auch 12 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka würden Initiativen zur Aufarbeitung immer wieder scheitern. «Sri Lanka verleugnet seine Vergangenheit, Bemühungen zur Wahrheitssuche wurden abgebrochen, und höchste Staatsoffizielle weigern sich, vergangene Verbrechen zuzugeben», heisst es weiter. Der Bürgerkrieg in Sri Lanka dauerte 26 Jahre und endete 2009, als das Militär die tamilischen Rebellen der Tamil Tigers auslöschte. Es geschahen Kriegsverbrechen auf beiden Seiten, Zehntausende Zivilisten wurden getötet. Insgesamt forderte der Bürgerkrieg über 100 000 Opfer.
In der Endphase dirigierte Gotabaya Rajapaksa den Sicherheitsapparat. Ende 2019 wurde er in Sri Lanka zum Präsidenten gewählt; Rajapaksa verfolgt eine singhalesisch-nationalistische Politik, die sich oft gegen Minderheiten wie die Tamilen richtet. Im OHCHR-Bericht ist dargelegt, wie er seither Generäle und Militärangehörige aus der Bürgerkriegszeit in politische Führungspositionen gehievt hat – mehreren werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, auch Gotabaya Rajapaksa selber.
Der Bericht geht an den Uno-Menschenrechtsrat. Dort soll er am 24. Februar besprochen werden. Mit dem Bericht endet eine Resolution, die der Menschenrechtsrat 2015 erlassen und zweimal verlängert hat, um Sri Lanka aufzufordern, die Verbrechen der Vergangenheit aufzuarbeiten. Als die Resolution 2015 erlassen wurde, erklärte sich die damalige Regierung in Sri Lanka zur Aufarbeitung bereit. Mehrere Empfehlungen der Resolution wurden umgesetzt, zum Beispiel wurde ein Büro eingerichtet, das sich um vermisste Personen kümmert. Vergangenes Jahr, nur Monate nach dem Regierungswechsel, entzog Sri Lanka der Resolution dann die Unterstützung. Gotabaya Rajapaksa verschloss damit dem Menschenrechtsrat die Tür nach Sri Lanka. Rajapaksa und seine Vertrauten betrachten die Resolution als Einmischung des Westens.
Eine Frau in Millaitivu in Sri Lanka zeigt ein Bild ihrer Familie und ihres vermissten Sohnes. Aufnahme von 2019.
Nun muss der Menschenrechtsrat entscheiden, wie es weitergeht mit Sri Lanka. Wenn er die Resolution per Mehrheitsentscheid auslaufen lässt, gibt es keinen multilateralen Druck mehr auf Sri Lanka, die Verbrechen des Bürgerkriegs aufzuklären und für Versöhnung auf der Insel zu sorgen. Der Menschenrechtsrat hat 47 Mitglieder, und es ist keineswegs sicher, ob der Rat für eine neue Resolution stimmen wird. Dafür sorgen die Mehrheitsverhältnisse. China ist seit letztem Jahr Mitglied – und ein Verbündeter Sri Lankas. Der Inselstaat ist hoch verschuldet und hat in den vergangenen Jahren Milliardenzahlungen aus China erhalten. China könnte seinen Einfluss auf die Verbündeten im Menschenrechtsrat geltend machen, auch in Staaten wie Pakistan, Russland und Kuba dürfte das Narrativ vom westlichen Hochmut verfangen.
Mehrere Staaten im Rat, auch westliche, sollen eine sanfte Resolution bevorzugen, die von der sri-lankischen Regierung mitgetragen wird.
Dies wäre kaum im Sinne des scharfen Berichts des Hochkommissariats für Menschenrechte. Dieses sorgt sich nicht nur um die Menschenrechtslage in Sri Lanka. Er gibt auch mehrere Empfehlungen an den Menschenrechtsrat und dessen Mitgliedstaaten ab: Man solle nicht nur die Situation in Sri Lanka verstärkt beobachten, sondern auch Sanktionen ergreifen gegen jene Personen, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Zudem müsse geprüft werden, ob die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern nach Sri Lanka aufgrund der schlechten Menschenrechtslage weiterhin zulässig sei.
Quelle: https://www.nzz.ch/international/sri-lanka-ein-bericht-der-uno-macht-druck-wegen-kriegsverbrechen-ld.1599013 (Andreas Babst, Delhi)