Wasser für Poovathany

Viele Tamilen im Norden Sri Lankas leben zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg noch immer in absoluter Armut. Tamil.de hat eine Frau getroffen, die vom Krieg gezeichnet ist, doch trotzdem nie den Mut verloren hat.

Poovathany hat im Bürgerkrieg alles verloren. Ihren Vater, ihr Zuhause und ihre Beine. Ans Aufgeben hat sie trotzdem nie gedacht. Auch wenn es schwerfiel. Als wir sie diesen Januar in ihrem neuen Zuhause in Chunnakam auf der Jaffna-Halbinsel im Norden Sri Lankas besuchen, fällt uns zuerst ihr Strahlen auf. Ihre schwarzen Haare hat sie zu einem Knoten zusammengebunden. Unterhalb des roten Pottus auf ihrer Stirn, verbindet eine Narbe ihre funkelnden Augen. Das Haus ist nicht wirklich ein Haus. Eher eine stabilere Hütte mit Wellblechdach. Staubig und würdelos. Die Wände sind in einem saftigen Grün gestrichen, die Farbe der Hoffnung, als würden sie sagen wollen: „Uns kriegt ihr nicht unter“. Ein Rosenkranz aus Plastikperlen baumelt über der Türe im Wind. Auf rund 25 Quadratmetern lebt Poovathany hier mit ihrer ganzen Familie. Die 34-jährige Tamilin hat drei Kinder. Zusammen mit ihrem Mann teilen sich alle eine Abstellkammer als Schlafzimmer. Wir sind fassungslos. Kaum vorstellbar, wie hier zwischen Klamottenbergen noch fünf Menschen schlafen sollen. Doch das ist nicht das Schlimmste, erzählt sie uns: „Oft regnet es rein, weil das Wellblechdach nicht dicht ist.“

Auf einer Feuerstelle steht eine kleine, runde Pfanne, daneben ein Mahlstein. Der ganze Raum ist von Rauch durchzogen. Es wäre falsch diesen tristen Ort als Küche zu bezeichnen. „Geld für Essen hatte ich heute keins“, sagt sie. „Ab und an bekommen wir ein paar Lebensmittel von meiner Schwiegermutter, das muss oft reichen.“ Einen Job hat Poovathany nicht. Die 3000 Rupien, rund 15 Euro, die sie im Monat von der Regierung bekommt, reichen vorne und hinten nicht. Gerne würde sie einen Laden eröffnen, um die Dorfbewohner mit Essen zu versorgen und sich etwas dazuzuverdienen. Einen Kredit dafür hat sie von der Regierung aber nicht bekommen. „Es ist besser als Krieg, wenigstens ist kein Krieg mehr“, sagt Poovathany immer wieder. Sie blickt nervös auf den Boden, überlegt und fügt dann hinzu: „Wir haben zwar jetzt Frieden, aber dieser Frieden ist nicht Frieden genug.“ Wir nicken. Wir haben verstanden.

Im Vorgarten steht ein Brunnen. „Er hat am meisten Wasser im ganzen Dorf“, erzählt uns Poovathany. Deshalb versorgt sie neben ihrer gesamten Familie auch die kranken Nachbarn mit Trinkwasser, die wie wir mit eigenen Augen sehen, teilweise in noch katastrophaleren Zuständen leben müssen. Das Wasser-Pumpen ist für Poovathany immer ein Kraftakt. Lange stehen kann die 34-jährige Tamilin nämlich nicht, seit sie 1997 auf eine Landmine getreten ist. Ihre Prothesen sehen provisorisch aus, bereiten ihr große Schmerzen. Ihr rechtes Bein wurde bei der Explosion in Fetzen gerissen. Sie verlor den Fuß ihres linken Beins und Teile des Unterschenkels. „Eine automatische Brunnen-Pumpe würde so viel erleichtern“, sagt sie. Doch die kostet zu viel. 20.000 Rupien. Das sind gerade mal 100 Euro! Aber für Poovathany ist das ein Vermögen.

Kurzerhand beschließen wir ihr die elektrische Pumpe zu finanzieren. Manchmal können es kleine Dinge sein, die eine große Wirkung haben. Poovathany kann ihr Glück nicht fassen. Eine Woche später bekommen wir ein Bild geschickt, wie die neue Pumpe Wasser spuckt. Für Poovathany bedeutet das weniger Schmerzen und damit eine große Erleichterung in ihrem schwierigen Alltag. Was für die Tamilin aber das Schönste an unserer Spende ist: Ab jetzt kann sie auch problemlos ihre kranken Nachbarn mit Wasser versorgen.

Text: Johanna Meier
Brunnen-Pumpe finanziert von: Tamil.de

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