Wirtschaftskrise in Sri Lanka: Premierminister Mahinda Rajapaksa bietet seinen Rücktritt an
Die Proteste gegen die Regierung auf der Insel dauern an. Nun ist der Regierungschef bereit, die Konsequenzen zu ziehen.
Die Demonstrationen in Sri Lanka brechen nicht ab. Am Wochenende hat der Präsident Gotabaya Rajapaksa den Notstand ausgerufen. Es ist bereits das zweite Mal innert weniger Wochen: Bereits als die Proteste Anfang April an Fahrt gewannen, galt auf der ganzen Insel eine zweitägige Ausgangssperre, zudem war der Zugang zu den sozialen Netzwerken gesperrt. Die Proteste aber hielten an. Sie blieben lange friedlich, Angestellte marschierten nach Büroschluss zu den Demonstrationen, Familien mit Kindern sassen da mit ihren Schildern. Vergangene Woche aber kam es vor dem Parlament in Colombo zu Ausschreitungen, die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
Am Freitag lähmte ein Generalstreik der Gewerkschaften das Land, die Menschen erschienen nicht zur Arbeit, es fuhren keine öffentlichen Transportmittel.
Rücktritt gefordert
Die Menschen in Sri Lanka fordern den Rücktritt des Präsidenten Rajapaksa. Aber dieser klammert sich an die Macht. Das Land befindet sich in einer historischen Wirtschaftskrise, und Rajapaksa verkörpert die Korruption und Misswirtschaft der vergangenen Jahre – sein Bruder Mahinda ist Premierminister, bis vor kurzem hatte die Familie die wichtigsten Ministerposten im Land unter sich aufgeteilt. Nun hat der Regierungschef laut Agenturmeldungen seinen Rücktritt angeboten. Seinem Bruder und Präsidenten wurde ein Schreiben überreicht.
Der Präsident kann die Parlamentsmehrheit auffordern, einen neuen Premierminister zu stellen. Wer derzeit de facto die Mehrheit im Parlament hat, ist unklar. Theoretisch läge diese bei der Regierungspartei. Mehrere Abgeordnete hatten aber unlängst im Parlament erklärt, dass sie sich von der Partei abwenden würden. Mit dem Rücktritt des Premiers würden auch alle Minister ihre Posten verlieren. Wenn ein neuer Premierminister bestimmt ist, soll der Präsident neue Minister auswählen. Diese sollen dann eine Übergangsregierung stellen.
Die schwache Opposition versuchte im Parlament zuvor eine Vertrauensabstimmung zu erzwingen, bisher erfolglos. Vergangene Woche sagte Sri Lankas Finanzminister, die Devisenreserven der Insel seien auf gerade einmal 50 Millionen Dollar zusammengeschrumpft. Zwar befindet sich Sri Lanka in Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IMF). Dieser dürfte von der Regierung aber Konzessionen fordern – dass er sofort ein Hilfspaket schnürt, gilt unter Analysten als unwahrscheinlich.
Hilfe aus China?
Am Sonntag gab Sri Lankas Finanzminister bekannt, dass Hilfe von woanders kommen könnte: Die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) überlege sich, Hilfe in Höhe von 100 Millionen Dollar zu schicken. Die AIIB ist vorwiegend von China finanziert. China hat in den vergangenen Jahren Milliarden Dollar in Sri Lanka investiert, die ausstehende Schuld beträgt derzeit 6,5 Milliarden Dollar. Gegenwärtig befinden sich die Länder in Verhandlungen über weitere Hilfspakete.
Das chinesische Geld floss in Infrastrukturprojekte, vor allem im Süden der Insel. Den Chinesen gehört der Hambantota-Hafen an der Südküste, eine chinesische Firma baut den neuen Hafen in Colombo. Im Norden der Insel war der chinesische Einfluss bisher gering. Das ändert sich aber gerade. Erste chinesische Unternehmen siedeln sich im Norden an, ihr Produkt: Seegurken. Diese gelten in China als Delikatesse und gedeihen in den flachen Gewässern rund um die Stadt Jaffna. Chinas Einfluss in Sri Lanka dürfte weiter wachsen.
Quelle: https://www.nzz.ch/amp/international/wirtschaftskrise-in-sri-lanka-premierminister-mahinda-rajapaksa-bietet-seinen-ruecktritt-an-ld.1683159?fbclid=IwAR2Ro86iRTOtQjrVwzJCoz2LJeQOc8L6ZO5zkXdRN3xlpq8CX_gaQZZzWEU